Vor 150 Jahren – ein Feldpostbrief aus dem Krieg von 1866

In der Akte BT 630 im Gemeindearchiv Bedburg-Hau sind drei private Briefe abgelegt, die Soldaten nach Hause an ihre Angehörigen geschickt haben. Dieser merkwürdige Umstand macht neugierig, was es mit diesen Relikten auf sich hat. Das stellvertretende Generalkommando des VII. Armeekorps hatte am 14. Juli 1915 einen „Aufruf zur Sammlung von Feldzugsbriefen, Kriegstagebüchern und sonstigen schriftlichen Kriegsnachrichten“ erlassen. Gesucht wurden „anschauliche Schilderungen des Lebens im Felde, Stimmungsbilder, lebendige Berichte über gelungene Streifen (Patrouillen), Gefechtsbeschreibungen, Erlebnisse in den Etappen im besetzten Lande, Erfahrungen und Aufzeichnungen von Sanitätern und Schwestern und vieles andere“. Auch Abschriften waren willkommen. Diese Sammlung sollte dem Verlust wertvoller authentischer Zeitzeugenberichte entgegenwirken. Ausdrücklich wurde darauf verwiesen, dass nach dem Krieg 1870/71 eine solche Sammeltätigkeit versäumt worden sei. Vor Ort sollten Lehrer und Lehrerinnen oder Pfarrer als Vertrauenspersonen den Zugang zu den Angehörigen von Kriegsteilnehmern herstellen. Ob dementsprechend in der Bürgermeisterei Till Feldpostbriefe intensiv gesammelt wurden, ist kaum anzunehmen, aber es finden sich immerhin drei Briefe in der erwähnten Akte, die aber offenbar nicht an die zentrale Sammelstelle nach Münster weitergereicht worden sind. Vielleicht erschien der Inhalt der Briefe nicht bedeutsam genug. Nur ein Brief betrifft den Ersten Weltkrieg, zwei Briefe jedoch die Kriege von 1866 und 1870. Diese letztgenannten Briefe stammen beide von Johann Tripp, der in der 12. Kompanie des 4. Westfälischen Infanterieregimentes Nr. 17 diente und an der Schlacht bei Königgrätz am 3. Juli 1866 teilnahm. Diese Schlacht entschied den politisch-militärischen Konflikt innerhalb des Deutschen Bundes zwischen Preußen und Österreich und markiert die Entwicklung zur Reichsgründung von 1871 ohne Einbeziehung Österreichs. An dieser Stelle folgt zunächst die Transkription des Briefes vom 28. Juli 1866. Die Transkription erfolgt buchstabengetreu. Schreibfehler bleiben unberichtigt. In wenigen Fällen wird zum besseren Verständnis die richtige Schreibung in eckigen Klammern beigefügt. Die Interpunktion wird nach heutigem Gebrauch zur besseren Lesbarkeit angewendet.Für die sorgfältige Transkription ist Herrn Peter Thomas, Hasselt, zu danken.

 

Hipples, den 28. Juli 1866

Vielgeliebte Eltern und Geschwister!
Euren Brief vom 16. habe ich richtig und in bester Gesundheit erhalten und daraus vernommen, daß Ihr auch noch munter und Gesund seid, welches mich sehr freuet. Ich hätte schon wieder eher zurück geschrieben, aber weil wir 5 Tage Waffenruhe hatten, wollte ich erst gerne wissen, was daß Ausmachte. Deßhalb ergreife ich jetzt die Feder mit Freude, um Ihnen daß Neueste zu schreiben, namentlich daß der Friede mit Österreich und Sacksen unter Günstigen bedingungen abgeschlossen ist, namentlich Preusen bekommt Schleßwig Holstein, Kurfürstentum Hessen, Nassau, 2 Kreisen von Hanofer, einen großen teil von Sacksen, wobei auch Leibsich [Leipzig] gehört und dann noch ein anderes Ding, wie daß aber heißt, weiß ich doch augenblicklich nicht, und 120 Milion Gulden Kriegskosten noch von Oesterreich.Die Zeit der Waffenruhe dauerte namentlich bis gestern Mittag 12 Uhr. Vielgeliebte Eltern, gestern Morgen war aber noch kein Befehl da, deshalb mußten wier gestern morgen wieder aus den Quatieren in unsere alte Stellung zurück rücken, namentlich im Lager, um da weiteren Befehl abzuwarten. Als wier nun bereits im Lager angekommen, dauerte es aber nicht lange, da kam die Minute und der Ordinanz, wo unser verlangen nach war, der brachte den Befehl, daß der Frieden abgeschloßen war. Da hatten Sie aber auch mal etwas hören sollen, was für ein Huraschreien, da flogen aber auch die Mützen in die Luft, wie bei der Schlacht die Granaten. Heute haben wier wieder Ruhe und wo wier von hier her wieder zurück Masieren [marschieren], wissen wier selbst noch nicht, vielgeliebte Eltern, weil noch kein Befehl oder Marsrute [Marschroute] für uns hier ist. Ob wier direckt wieder zurück masieren oder ob wier vielleicht noch irgendwo zur besatzung kommen oder ob wir noch durch Baier masieren, wißen wir noch nicht, denn mit Baiern hat er [König von Preußen] den Frieden noch nicht beschloßen. Baiern hat unseren König darum gebeten, er hat aber noch nicht gewolt, weil der Ihn warscheinlich noch nicht genug hat geben wollen, aber der wird sich von selbst wohl geben, denn der kann ja mit seine paar Mann doch nichts machen gegen Preusen, und wenn da was hin masiert, dann gehen nur ein oder zwei Armeköre [Armeekorps] hin und dann wird sich der schon frühe genug Bange machen. Wier sind hier noch 6 Stund von Wien, und wenn es hier noch mahl loß gegangen wäre, da hatte es noch viel Blut und Menschen gekostet, denn vor wien, da liegt eine Stadt, die war furchtbar verschanzt und ehe wier dann mal über die Donau waren.

Hiermit will ich schließen, andere Neuigkeiten weiß  ich nicht, als daß hier in der Gegend die Kolera  ausgebrochen ist und besonders in den Lazaretten,  denn die eben können, die im Lazaret sind,  machen sich wieder heraus, weil sonen furchtbaren  Geruch darin war.  Ferner muß ich noch schreiben, vielgeliebte Eltern,  um etwas Geld, denn daß, was ich in werden [?]  über gehalten hatte, hat sich noch immer steif  gehalten, jetz aber fengt es an schwach zu werden,  weil es zu viel Beine gekrigt hat hier in Oesterreich,  und es war auch schon eher auf gewesen, aber ich  mußte immer sehr Sparsam damit umgehen, weil  keine Geldbriefe ankamen, jetzt aber seid acht  Tage sind sie alle angekommen, da waren welche  bei, die 4 Wochen und noch lenger unterwegs gewesen waren, und es ist jetzt auch bekannt  gemacht, daß sie sich können schicken lassen von Hause, was sie wollen, Geld und auch kleine  leicht Paketen, und dann haben wier auch acht Tage gehabt, daß wier mit dem Geld nichts  anfangen konnten, weil nichts zu kriegen war, daß wir uns nur mit ein Stück trocken Brod und  etwas Waßer befriedigen mußten. Hier in Oesterreich ist wenig und scheichtes [schlechtes?] Geld, denn Silber sieht man hier gar  nicht als bloß 10 Kreuzer Stücke ungefehr grad wie 2 Sgr. [Silbergroschen],  das sind 20 Pfenn.  [Pfennige], ebenso auch ein Papier auf 10 Kreuzer und dann Papierne Gulden, das sind 100  Kreuzer. 1 Kreuzer ist so viel wie bei uns 2 Pfenn. Hiermit will ich schließen in der Hoffnung, daß Euch dieses schreiben in der besten Gesundheit  antreffen wird. Vielmals gegrüßt von Ihr, Sie lieben Sohn und Bruder, auch noch viele Grüße bei v. d. Boom und  Großmutter, wenn sie noch lebt, und an verwanten und bekanten Johann Tripp, auch noch viele  grüße von H. Vehreschild an sei[ne] Eltern, voriges mal habt Ihr mir geschrieben, ob wier uns  auch noch oft zu sprechen kriegten, aber noch grad so gut wie früher, aber um immer den Gruß  zu schreiben, daß wurde die meist zeit vergessen. Wenn Sie aber schreiben, dann müssen Sie aber schreiben 7. Armekor [Armeekorps] und nicht  8te wie foriges mal, wenn er sonst mal nicht überkömmt.

Quelle: Gemeindearchiv Bedburg-Hau: BT 630