Bürgermeister Oedenkoven geht – ein "König" kommt

Peter Thomas

 

Zum 1.7.1933 wurde der langjährige Bürgermeister des Amtes Till, Oedenkoven, auf seinen Antrag hin von der Aufsichtsbehörde von seinen Pflichten entbunden. Er konnte seine Aufgaben, die er 28 Jahre für das Amt Till geleistet hatte, aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr wahrnehmen.

Vielleicht war er ja ganz froh, dieser Tretmühle entrinnen zu können, denn der neue Wind, der jetzt auch durch die Amtsstuben in Hasselt wehte, dürfte ihm, der mit konservativer Gesinnung zu König und Kaiser aufgewachsen und alt geworden war, nicht sehr gefallen haben – obwohl: Er konnte schon immer seine Meinung den gegebenen Umständen anpassen und so ging er als Vorsitzender der Bürgermeistereisitzung vom 12. April 1933 in kernigen Worten auf die eingetretene "große nationale Erhebung und Einigung des Vaterlandes" näher ein. Am Schluss seiner Rede bat der Vorsitzende sich "zu Ehren des Herrn Reichspräsidenten und des Herrn Reichskanzlers" von den Sitzen zu erheben.

In dieser Sitzung wurde Wilhelm König zum Beigeordneten des Amtes Till gewählt. Er sollte den Bürgermeister an erster Stelle vertreten. Vorher hatte er schon im nationalen Sinne, denn er war ja auch Kreistagsmitglied und Vorsitzender der NSDAP-Fraktion, auf die kernigen Worte des Vorsitzenden reagiert und brachte zum Schluss ein einstimmiges "Heil" auf unseren Herrn Reichspräsidenten und Herrn Reichskanzler aus.

Weitere Beschlüsse betrafen die Beschaffung je eines Hindenburg- und Hitler-Bildes für das Amt. Bekanntmachungen des Amtes Till sollten nur noch durch die National-Zeitung (Essen) erfolgen. Gleichzeitig wurden auf Antrag des Wilhelm König alle Zuwendungen an Mitarbeiter, die über gesetzliche Vorschriften hinausgingen, untersagt. Der Gehilfe bei der Amtskasse sei zu entlassen.

Damit war für das Amt Till endgültig eine neue Zeit angebrochen.

Mit der Versetzung des Bürgermeisters Oedenkoven in den Ruhestand bzw. seine vorläufige Beurlaubung wurde eine voraussichtlich längere Vertretung durch den I. Beigeordneten erforderlich. Die Aufsichtsbehörde hatte daher verfügt, dass für die Dauer der Vertretung eine angemessene Entschädigung festzusetzen sei, die den Aufwand des vertretenden Beigeordneten decke. Diese wurde von der Amtsvertretung auf monatlich 150 RM festgesetzt. Ferner soll der Beigeordnete König berechtigt sein für Dienstreisen die gesetzlichen Reisekosten und Tagegelder zu erheben.

Am 29.09.1933 teilte der II. Beigeordnete Hallensleben aus Riswick als Vorsitzender der Versammlung mit, dass der Verwaltungsbeirat der Ruhegehaltskasse in Düsseldorf sich mit der Übernahme des Ruhegehalts für den Bürgermeister Oedenkoven einverstanden erklärt habe. Nach kurzer Beratung beschließt die Amtsvertretung einstimmig, dass die Versetzung des Bürgermeisters Oedenkoven in den Ruhestand zum 30. September 1933 erfolgen soll.

Gleichzeitig wird ebenfalls vorsorglich beschlossen, dass der Bürgermeister Oedenkoven seine Dienstwohnung zum 1. Januar 1934 zur Verfügung des Amtes Till zu stellen hat.

Der Vorsitzende wies weiter darauf hin, dass die durch Pensionierung freigewordene Bürgermeisterstelle im Amte Till anderweitig zu besetzen und nach dem Gesetz zur Erzielung weiterer Ersparnisse in der gemeindlichen Verwaltung vom 6. April 1933 (GSS, 93) zu verwalten sei.

Nach Bekanntgabe der Verfügung des Herrn Landrats in Kleve vom 7. September 1933 Nr. A tritt die Amtsvertretung auch nur für die Wahl eines unbesoldeten Bürgermeisters ein.

Danach wählt nach einer kurzen Aussprache die Amtsvertretung unter dem Vorsitze des II. Beigeordneten Hallensleben einstimmig durch Zuruf den I. Beigeordneten Wilhelm König aus Louisendorf, der als langjähriger Führer und Kämpfer in der nationalsozialistischen Bewegung steht, zum unbesoldeten Bürgermeister (Ehrenbürgermeister) des Amtes Till.

Ferner beschließt die Amtsvertretung einstimmig dem unbesoldeten Bürgermeister König für die ehrenamtliche Tätigkeit und amtliche Hilfestellung vom 1. Oktober 1933 ab eine monatliche Pauschalentschädigung von 250 RM und bei Dienstreisen außerhalb des Amtsbezirks die gesetzlichen Tagegelder und Reisekosten zu gewähren.

Der anwesende I. Beigeordnete König nahm die Wahl an.

Einen Monat später war es dann soweit: Bürgermeister König wurde am 26. Oktober 1933 als Bürgermeister in das Amt Till eingeführt.

Das folgende – transkribierte - Protokoll gebe ich an dieser Stelle wortwörtlich wieder:

 

Am Hause Rosenthal in Hasselt hatten sich die eingeladenen Ehrengäste und die Amtsvertreter des Amtes Till, S.A., Stahlhelm, Krieger- und Schützenvereine u.s.w. mit Standarten und Fahnen eingefunden, um den Ehrenbürgermeister König in Empfang zu nehmen. Kurz nach 12 Uhr trafen die Wagen des Ehrenbürgermeisters und die S.A.-Reiterscharen ein. Herr Bürgermeister König schritt die lange Ehrenfront ab, nahm die, mit Rücksicht auf das recht ungemütliche Wetter, nur kurze, herzliche Begrüßung entgegen, worauf sich der Festzug in Bewegung setzte.

Böllerschüsse am Amtshause in Hasselt begrüßten das neue Amtsoberhaupt. Im Saale von Grüntjes, der die Festteilnehmer nur mit Mühe zu fassen vermochte, wurde das Festprogramm durch den Badenweiler Marsch eröffnet.

Nach dem frisch und frei vorgetragenem Gedicht "Junge Kraft und alte Größe" des Hitler-Jungen Gerhard Fischer sprach Beigeordneter Hallensleben, der die Amtsvertretung im Saale von Grüntjes als Vorsitzender leitete, namens des Amtes Till die Begrüßungsworte für den Ehrenbürgermeister, indem er etwa folgendes ausführte:

Meine Deutschen Volksgenossen! Ich begrüße Sie auf das herzlichste. Besonders herzlich und freudig begrüße ich unsere heutigen Ehrengäste. An die Amtsvertreter gerichtet betonte er: Meine Herren! Sie haben in der Sitzung am 29. September des Jahres unter meinem Vorsitze einstimmig einen Ehrenbürgermeister für das Amt Till gewählt. Heute kann ich Ihnen die erfreuliche Mitteilung machen, daß unser Beschluß vom 29. September des Jahres von der Regierung anerkannt und bestätigt worden ist. Aus dieser für uns so überaus erfreulichen Tatsache glaube ich annehmen zu dürfen, daß die Regierung sich unsere Ansicht zu eigen gemacht hat, die dahingeht, daß die Führung eines Amtes auf dem Lande in die Hände eines kerndeutschen Volksgenossen gehört, der durch Blut und Boden mit der Landbevölkerung verbunden ist und ihr Eigenleben kennt. Dieser Volksgenosse ist kerndeutsch, wie die Eichen unter denen wir ihn vorhin am Hause Rosenthal empfangen durften. Er ist für uns der Bauer Willi König aus Louisendorf, unser jetziger Ehrenbürgermeister, den ich nochmals auf das herzlichste begrüße und willkommen heiße.

Namens der Regierung führte Landrat Eich den Ehrenbürgermeister in sein Amt ein und bemerkte dabei u.a. folgendes: Deutsche Volksgenossen! Sehr geehrter Herr Ehrenbürgermeister! Es ist mir eine ganz besondere Ehre und Freude, den neuen Bürgermeister hier einführen zu können. Die Einweisung durch mich ist am 7. Oktober 1933 erfolgt. Ich überreiche Ihnen hiermit die Urkunde. Im gesamten Amte Till, besonders aber in der Gemeinde Louisendorf ist die Freude erst recht groß. Aber auch die anderen Gemeinden sind erfreut, was schon daraus hervorgeht, daß die Wahl einstimmig erfolgte. Nicht nur als Verkünder der großen Idee, sondern auch als eifriger Vertreter der Gemeindeinteressen füllte er seinen Platz aus. Der neue Ehrenbürgermeister ist aber auch ein ebenso pflichtbewußter Bauer, dessen Wurzeln in pfälzischer Erde stecken. Mir persönlich ist es eine ganz besondere Freude, Ihnen, Herr Ehrenbürgermeister, heute meinen Glückwunsch zum Ausdruck bringen zu dürfen und ich heiße Sie daher an dieser Stelle herzlich willkommen.

Kreisleiter Neven führte etwa folgendes aus: Nationalsozialistisch sein, heißt, eine Sache um ihrer selbst willen tun. Wenn wir heute die Freude haben, unseren Ehrenbürgermeister Willi König einzuführen, so wissen wir, daß er bei seiner regen Arbeit um die große Sache der Partei nie danach gefragt hat, welcher Lohn ihm einmal winken könne. Wie in der Vergangenheit Willi König seine Pflicht getan hat, so auch heute. Gerade ich, dem er seit langem bekannt war, darf sagen, daß er nie um der Gefühle willen seine Pflicht tun wird, sondern zum Wohle des Amtes, zum Wohle des Vaterlandes. Nur so wünsche ich ihm für Amt und Familie auch ferner alles Gute.

Darauf ergriff Amtsrentmeister Fischer das Wort, der seitens der Beamten des Amtes Till die Glückwünsche überbrachte, indem er etwa folgendes ausführte:

Es gereicht mir zur besonderen Ehre, im Namen der Beamten und Angestellten des Amtes Till den Ehrenbürgermeister Herrn W. König als den neuen Chef des Amtes Till begrüßen zu dürfen und ihm zu der ehrenvollen Ernennung die herzlichsten Glückwünsche zu übermitteln. Das Amt Till kann stolz sein, daß an seiner Spitze ein alter treuer Kämpfer der nationalsozialistischen Bewegung berufen wurde und erblickt in ihm den gerechten und wohlwollenden Vorgesetzten. Als aus dem Volke hervorgegangen, durchdrungen vom echten nationalsozialistischen Geiste, sehen wir in ihm den Mann, den das Amt Till braucht. Seitens der Beamten und Angestellten des Amtes Till bin ich beauftragt, Ihnen verehrtester Herr Bürgermeister, treue Gefolgschaft zu geloben und ferner das Versprechen in Ihre Hand zu legen, daß jeder einzelne von uns, wie bisher, seine ganze Kraft, unermüdlichen Fleiß und volle Pflichttreue zur Verfügung stellt. Dies zu Ihrer Zufriedenheit, zum Wohle des Amtes Till, und zu Nutz und Frommen unseres geliebten Vaterlandes.

Der Beigeordnete Hallensleben erteilte nun dem Kreisbauernführer Alois Siebers das Wort. Kreisbauernführer wies in längeren Ausführungen auf die gigantischen Vorgänge der Außenpolitik hin, um erst recht die Frage zu bejahen, daß die Feier wohl am Platze sei, den in seiner Wahl erklärten Führer gebührend einzuführen. Er bezeichnete den Beschluß der Amtsvertretung, den Ehrenbürgermeister und alten Vorkämpfer Willi König zum Ehrenleiter des Amtes zu wählen, als den wichtigsten, den die Amtsvertretung während seiner Zugehörigkeit zur Amtsvertretung gefaßt habe. Wir freuen uns, daß ihm die Amtsurkunde überreicht wurde. Namens der Amtsverwaltung, aber auch namens der gesamten Bevölkerung gelobte er Treue und Gefolgschaft.

Als Abschluß der offiziellen Ansprache richtete Ehrenbürgermeister König an die Versammlung etwa folgende Worte: Deutsche Volksgenossen! Es ist nicht Sache des Nationalsozialisten, von einer Sache großes Aufheben zu machen. Wenn es nach ihm gegangen sei, wäre er von den Kreisinstanzen still in sein Amt eingeführt worden. Jedenfalls werde er auch in seinem Amte seine selbstverständliche Pflicht tun, dasselbe erwarte er aber auch von seinen Beamten, namentlich an der Steuerkasse und im Wohlfahrtsamte damit alle Amtseingesessenen wieder erfahren, daß man Verständnis für die große Not habe. Daran knüpfe ich ferner die Hoffnung, daß es so langsam überall besser werden möge, zum Wohle unseres Amtes, aber auch zum Wohle unseres geliebten Vaterlandes von dessen Spitze der größte Führer jetzt die Geschicke führt, der je einen Staat leitete. Seiner und dem hochverehrten Herrn Reichspräsidenten Generalfeldmarschall von Hindenburg wollen wir heute in ganz besonderer Dankbarkeit gedenken, indem ich Sie bitte mit mir einzustimmen in den Ruf: Unserm Reichspräsidenten und Reichskanzler Adolf Hitler ein dreifaches Sieg Heil! In großer Begeisterung stimmte die Festversammlung in die Heilrufe ein.

Mit dem Horst Wessel-Lied schloß dann der offizielle Teil der Feier.

gez. Jakob Hans, Peter van de Post, Euwens, Hallensleben I. Beigeordneter

 

So muss 1934 die Gastwirtschaft Grüntjes in Hasselt an der Kirche ausgesehen haben. Die oberen Zeichnungen stammen aus dem Jahr 1913 und die untere betrifft die Bauanfrage von 1920. Dass der Saal die Festteilnehmer nur mit Mühe fassen konnte liegt einfach daran, dass er sehr klein war. Wie aus der Zeichnung ersichtlich: unter 100 m².

Die Sitzungen, an denen Bürgermeister König nach seiner Einführung teilnahm, kann man an einer Hand abzählen. Die letzte Sitzung leitete er am 19.05.1938.

Besondere Aktivitäten sind nur wenige von ihm bekannt, so lud er am 14.8.1934 eine große Anzahl von Männern aus dem Amte Till, die eventuell für den Dienst in einer Feuerwehr geeignet erschienen, in die Gaststätte Eberhard (heutige Gaststätte Post) in Moyland ein. Nach einigen Vorträgen über die Notwendigkeit einer schlagkräftigen Feuerwehr auf dem Lande durch den Kreisbrandmeister Kleindorp beschlossen die Versammelten die Gründung einer „Freiwilligen Feuerwehr für das Amt Till“. Dieses Datum wird heute noch als Gründungsdatum der Feuerwehr Bedburg-Hau angesehen.

Auf Festen war Bürgermeister König anscheinend gerne gesehen. So veröffentlichte der Bürgerschützen­verein Till-Moyland in seiner Festschrift zum 100jährigen Bestehen des Vereins im Jahre 2008 auf Seite 15 einen Zeitungsartikel, dem die nebenstehende folgende Passage entnommen wurde:

 

Das weitere Schicksal des Wilhelm König ist uns vollkommen unbekannt, wie auch sein Leben vor 1933 kaum zu recherchieren war. Wir wissen nur, dass er als zweites Kind der Eheleute Ludwig Friedrich Heinrich König und Catharina Helena Eversz am 23.04.1894 in Louisendorf geboren wurde und er seine Frau Maria Thomas aus Neulouisendorf am 28.5.1920 geheiratet hat. Ab ca. 1931 war er Ortsgruppenleiter der NSDAP in Louisendorf. Ihm wurden drei Töchter geboren und gestorben ist er am 19.4.1966 im St.-Nikolaus-Spital zu Kalkar.

Weitere Fakten geben die Akten im Archiv nicht her.

 

Quellen:
Gemeindearchiv Bedburg-Hau: BT P05 (Protokolle des Amtes Till), BT 806

Literatur:
Lilla, Joachim: Die Organisation der NSDAP im (Alt-)Kreis Kleve um 1936, in: Der Niederrhein. Zeitschrift für Heimatpflege und Wandern 72 (2005), S. 11-21, hier: S. 18.

Alle Abbildungen, soweit nicht anders angegeben: Gemeindearchiv Bedburg-Hau