Die Kriegsgräberstätte Bedburg-Hau

Johannes Stinner

 

Auf dem Gelände der LVR-Klinik Bedburg-Hau (LVR = Landschaftsverband Rheinland) wurden bereits  während des Zweiten Weltkrieges Gefallene oder ihren Verwundungen erlegene Soldaten bestattet. Auch zivile Kriegstote waren hier in den letzten Monaten des Zweiten Weltkrieges beigesetzt worden. Zwischen 1946 und 1948 fand eine systematische Aufarbeitung der Grablagen statt. Die Anlegung einer Kriegsgräberstätte auf diesem Klinikgelände ist dem Umstand geschuldet, dass während des Krieges hier Lazarette von Heer und Marine sowie ab Herbst 1944 auch das Klever St.-Antonius-Hospital unter­gebracht waren. Ein besonderes Feld ist den Toten des Ersten Weltkrieges vorbehalten. Die Kriegsgräberstätte Bedburg-Hau wurde in den vergangenen Jahren schrittweise neu gestaltet. Der Abschluss der umfangreichen Maßnahmen bot Anlass für eine Gedenkveranstaltung am 1. September 2015.

Aus der Geschichte der Klinik

Die heutige LVR-Klinik Bedburg-Hau wurde als Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt der preußischen Rheinprovinz am 3. Juli 1912 eröffnet. Die Anstalt war als größte und modernste psychiatrische Einrichtung ihrer Zeit für eine Gesamtzahl von 2200 Patientinnen und Patienten ausgelegt.

Statt großer Baublöcke sollte eine aufgelockerte Bebauung (so genanntes Pavillonsystem) in einer parkähnlichen Umgebung zur Enthospitalisierung beitragen, die Größe der Anstalt verdecken und auf die Psyche der Patientinnen und Patienten beruhigend einwirken. Die Kranken bzw. Pflegebedürftigen sollten nicht nur gepflegt, sondern möglichst auch in den Alltag eingebunden werden und selbst zur Versorgung der Anstalt beitragen. Hierzu wurden drei Gutshöfe und eine Gärtnerei der Anstalt angegliedert. Auch die Beschäftigung in handwerklichen Arbeitsbereichen war möglich. Im Laufe der Jahrzehnte wurde das therapeutische Konzept immer wieder angepasst. Die meisten Patientinnen und Patienten leben heute in Wohngruppen außerhalb der Klinik.

Im Ersten Weltkrieg wurde in der Anstalt ein Reservelazarett mit 800 Betten eingerichtet. Die allgemein schlechte Versorgung im „Steckrübenwinter“ 1916/17 ließ die Sterblichkeit unter den Kranken bzw. Pflegebedürftigen stark ansteigen. Die Toten wurden auf dem Anstaltsfriedhof begraben.

Die Zeit des Nationalsozialismus

Gedenkstätte für die Euthanasieopfer (Foto: Wolfgang Held)
Gedenkstätte für die Euthanasieopfer

Die Rassenideologie der NS-Zeit wirkte auch in die Anstalt Bedburg-Hau hinein. 838 Zwangs­sterilisationen sind dokumentiert. Der menschenverachtende Umgang mit Kranken und Hilfe­bedürftigen ist vor allem mit dem Begriff der Euthanasie verbunden. Der Ermordung der Patien­tinnen und Patienten lagen nicht nur ideologische Motive zugrunde, sondern auch banale Gründe, wie die Schaffung von Platz für Militärlazarette und die Ersparnis von Pflegekosten. Im Zeitraum 1939 bis 1944 wurden aus der Anstalt Bedburg-Hau 2779 Patienten in besondere Anstalten (z.B. Grafeneck, Hadamar, Brandenburg) verlegt und zum größten Teil dort ermordet. Dem Gedenken an die Euthanasieopfer ist ein besonderes Denkmal auf dem Gelände der LVR-Klinik gewidmet. Ein Gedenkbuch liegt in der Klinikverwaltung aus.

Das Kriegsende in Bedburg-Hau

Nach der gescheiterten alliierten Operation „Market Garden“ im September 1944 änderte der britische Feldmarschall Montgomery die Stoßrichtung des Angriffs auf das deutsche Reichsgebiet. Die Operation „Veritable“ im Februar 1945 hatte das Ziel, zwischen Rhein und Reichswald mit massierten alliierten Streitkräften durch einen schmalen Korridor zum ausgewählten Aufmarsch­gebiet für den Rheinübergang zwischen Rees und Wesel vorzustoßen. Bombenangriffe auf niederrheinische Städte (u. a. Kleve, Goch), die im Frontbereich lagen, dienten der Vorbereitung des Angriffs. Das Klever Krankenhaus war nach der Zerstörung schon im Oktober 1944 in die Anstalt verlegt worden. Letzte, hastig zusammengezogene deutsche Reserven sollten die über­legenen alliierten Truppen aufhalten. Eine der letzten großen Panzerschlachten tobte zwischen Louisendorf, ein Ortsteil der Gemeinde Bedburg-Hau, und Keppeln, ein Ortsteil der Gemeinde Uedem. Die überwiegende Zahl der Kriegstoten auf den britischen und deutschen Kriegsgräber­stätten am Niederrhein geht auf diese letzte Phase des Krieges zurück. Nach dem Freikämpfen des Niederrheins durch Briten und Kanadier erfolgte der Rheinübergang zwischen Rees und Wesel. Zuvor war die Zivilbevölkerung aus dem Grenzgebiet zur Anstalt gebracht und dort oder in Zeltstädten in der näheren Umgebung interniert worden. Insgesamt waren bis zum 23. März 1945, dem Tag des Rheinübergangs der alliierten Truppen, ca. 28 000 Menschen, von dieser Maßnahme betroffen. Die Anstalt verfügte zwar über alle notwendigen Einrichtungen für die Versorgung einer großen Zahl von Menschen, doch waren Unterbringung und Ernährung infolge der Überbelegung völlig unzureichend.

Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft

Denkmal für die im Ersten Weltkrieg Gefallenen des Pflegepersonals (Foto: Wolfgang Held)
Denkmal für die im Ersten Weltkrieg Gefallenen des Pflegepersonals

Der Friedhof der LVR-Klinik Bedburg-Hau gliedert sich in mehrere Bereiche: Neben den Grablagen für verstorbene Patienten und Bedienstete der Anstalt ruhen auf einer besonderen Kriegsgräberstätte 69 Soldaten des Ersten Weltkrieges, die im Reservelazarett verstorben sind. Der jüngste hier bestattete Soldat war der Muske­tier Wilhelm Lemme, geboren am 14.2.1899, der nur 19 Jahre alt wurde. Für 581 verstorbene deutsche Soldaten, 113 Ziviltote – aus der Anstalt oder aus Inter­nierungslagern – und 87 umgekommene Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene aus verschiedenen Nationen aus dem Zweiten Weltkrieg wurden zwischen 1946 und 1948 weitere Kriegsgräberstätten angelegt.

Grab von Teodor Krzeszczyk, verstorben am 15.5.1945 (Foto: Wolfgang Held)
Grab des Polen Teodor Krzeszczyk (verstorben am 15.5.1945)

Bestattet wurden hier auch Verstorbene des Durchgangslagers für Ausländer, genannt DP-Lager (DP = Displaced Persons), die hier auf ihre Rückführung in ihre Heimat warteten, darunter auch ehemalige KZ-Häftlinge. Viele überlebten die Befreiung nur wenige Wochen oder Monate. Von diesen Opfern des NS-Terrors ist oft kaum mehr als der Name bekannt. Viele verschiedene Nationalitäten befinden sich darunter: Amerikaner, Argentinier, Belgier, Brasilianer, Chilenen, Franzosen, Jugoslawen, Litauer, Niederländer, Polen, Russen, Schweizer und Tschechen. Außerdem haben weitere 13 Ziviltote und sieben Tote, deren Herkunft unbekannt bleibt, auf dem Friedhof eine letzte Ruhestätte bekommen. Heute ruhen insgesamt 870 Menschen auf den Kriegsgräberstätten im Bereich der Klinik. Die Gräber für die Toten des Zweiten Weltkrieges wurden in den Jahren 2013/14 instand gesetzt und umgestaltet.In Zusammenarbeit mit Wolfgang Held, Volksbund Deutsche Kriegs­gräberfürsorge, wurde eine Infotafel erstellt, die über diesen Ort und vor allem über die Menschen informiert, die hier ihre letzte Ruhestätte gefunden haben.

 

Literatur

Berkel, Alexander; Krieg vor der eigenen Haustür. Rheinübergang und Luftlandung am Niederrhein 1945. Überarb. und stark erweiterte Neuausgabe Wesel 2004 (Studien und Quellen zur Geschichte Wesels 27). – Jörissen, Josef: Chronik der Gemeinde Bedburg-Hau. 3. Aufl. Bedburg-Hau 2000. – Kriegsgräberstätten im Kreis Kleve. Hrsg. von För Land en Lüj. Kleve 2000 (Schriftenreihe des Kreises Kleve). – Michels, Wilhelm und Peter Sliepenbeek: Niederrheinisches Land im Krieg. Ein Beitrag zur Geschichte des Zweiten Weltkrieges im Landkreis Kleve. Kleve 1964. – Rübo, Gerd: Die Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt Bedburg-Hau. 1945. Bedburg-Hau 2008.

Fotos: Wolfgang Held (Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Landesgeschäftsstelle NRW)