Die Frösche von Bedburg-Hau

Erste Ergebnisse des Dialektfragebogens 2021/22

Wer hätte gedacht, dass in den Dialekten der Gemeinde Bedburg-Hau insgesamt neun verschiedene Bezeichnungen für den ‚Frosch‘ miteinander konkurrieren – zwei davon scheinen allerdings ausschließlich in Louisendorf vorzukommen. Aber der Reihe nach: Insgesamt 85 ausgefüllte Fragebögen sind eingegangen. Ein sehr erfreuliches Ergebnis! Herzlichen Dank an alle, die sich beteiligt haben. Alle Ortschaften der Gemeinde sind vertreten, so dass Vergleiche zwischen den einzelnen Orten möglich sein werden; außerdem haben einige Personen aus der Umgegend mitgemacht, zwischen Mehr im Nordwesten und Uedemerbruch im Südosten.

Heute bleibe ich aber bei den Ortschaften von Bedburg-Hau und komme zum ‚Frosch‘. Mit weitem Abstand vorn liegt Kekker; dieses niederrheinische Wort korrespondiert mit kikker im Niederländischen: In ihrer Aussprache unterscheiden sich beide kaum. Das Tätigkeitswort kikken, älter kicken, bedeutete ‚kaum hörbare Geräusche von sich geben‘. Neben oder statt Kekker sagen in Bedburg-Hau viele Menschen Kekkert, diese Variante kam im Niederländischen des 16. Jahrhunderts als kikkert vor. Auch wenn es vielleicht wie ein Scherz aussieht: Aber Kekkworst ist in den Dialekten der Gemeinde ebenfalls stark verbreitet. Kekkworst ist eine Lautvariante von Kekkforst (beziehungsweise Kekkfors), alle Varianten sind durch die Fragebögen belegt. Worst und Fors (Forst) dürften eine gemeinsame Wurzel haben – auch die ist wieder im Niederländischen zu entdecken: vors, die zweite niederländische Bezeichnung für den ‚Frosch‘. Das t in Kekkforst und Kekkworst ist demnach eine sekundäre Ergänzung. Der Kekkfors(t) tauchte auf einem Fragebogen als Kekkfross auf, das kommt dem deutschen Frosch schon näher.  

Eine weitere Zusammensetzung mit Kekk- lautet Kekkpätt. Die Pätt ist ja eigentlich eine ‚Kröte‘, aber ein ‚Frosch‘ kann definitiv Kekkpätt genannt werden. Und sogar Pätt kommt in Bedburg-Hau für den ‚Frosch‘ vor! Das war zu erwarten, zumal wir Frösche und Kröten ja kaum auseinanderhalten können.

Für den Pfälzerdialekt von Louisendorf wurden Frosch und Kekkfrosch genannt, außerdem Kekkert. Kekkfrosch und Kekkert sind schöne Beispiele dafür, wie die Sprecher und Sprecherinnen des Pälzersch Wörter und Wortmuster im Laufe der Zeit aus der Nachbarschaft entlehnt haben.

Dr. Georg Cornelissen

Die Schmetterlinge von Hau

Zwischenergebnisse des Dialektfragebogens 2021/22 (Teil 2)

Wenn man einmal nur die Fragebögen herausgreift, die für den Dialekt des Ortsteils Hau ausgefüllt wurden, kommt man für den ‚Schmetter­ling‘ auf nicht weniger als 5 verschiedene Bezeichnungen – und eine oder sogar zwei weitere ließen sich noch ergänzen (dazu später mehr). Von den Gewährsleuten wurden für Hau genannt: Pannevogel, Panneflögel, Panneläpper und Panneflieger sowie Flinder (auch Fliender geschrieben). Insgesamt 16 Fragebögen lassen sich nach den Auskünften der Dialektsprecher und Dialektsprecherinnen dem Ortsdialekt Hau zuordnen, darauf waren die fünf genannten Wörter zu finden – allerdings haben nicht weniger als acht der 16 Personen bei ‚Schmetterling‘ überhaupt nichts eingetragen!

Außerdem liegen noch vier weitere Fragebögen vor, auf denen neben Hau eine zweite Ortsangabe zu finden war: Zweimal hieß es Hau/Materborn und je einmal Hau/Hasselt beziehungsweise Hau/Donsbrüggen. Auf einem dieser vier Bögen kam eine weitere Bezeichnung für den Falter hinzu: Pannewäpper.

Pannevogel ist wohl die am weitesten verbreitete Variante all der Bezeichnungen mit Panne-; diese Wörter kommen auch in Dialekten jenseits der niederländischen Grenze vor. Belegt in mittelalterlichen Texten ist pellenvogel, wobei pellen einst eine Bezeichnung für ein Prunkgewand war; irgendwie ist daraus dann Pannevogel geworden. Im Raum Bedburg dient, wie im Wörterbuch von Ria Valentin nachzulesen ist, Pannevogel auch als Bezeichnung für eine kleine Maurerkelle, während der Panneflögel nicht nur den Schmetterling, sondern ebenfalls eine Haarschleife bezeichnen kann (siehe Valentin 2013, S. 154).

Im Standardniederländischen wird der Schmetterling vlinder genannt: Dieses Wort hat seinen Weg bis in den Raum Bedburg-Hau gefunden. Die etymologische Forschung nimmt an, dass vlinder zu einem alten Tätigkeitswort vlinderen mit der Bedeutung ‚flattern‘ oder ‚wegflattern‘ gehört.

Warum haben so viele Gewährspersonen in Hau (und auch in den anderen Ortschaften der Gemeinde) die Frage nach dem ‚Schmetter­ling‘ offengelassen? Vielleicht deshalb, weil sie im Dialekt dasselbe Wort verwenden wie im Hochdeutschen? Sie sagen auf Platt also vielleicht Schmetterling oder, etwas verändert, Schmetterleng. Diese Entlehnung aus der Standardsprache wurde aber im Rahmen der Fragebogenerhebung vielleicht deshalb nicht zu Papier gebracht, weil die Vermutung bestand, es müsse ja doch ein anderes (eigenes) Dialektwort geben.

Pannevogel, Panneflögel, Panneläpper, Pannewäpper, Panneflieger und Flinder sind am Niederrhein selten geworden: Man sieht das Insekt immer seltener, gleichzeitig kommen auch seine alten Bezeichnungen immer weniger vor. Und hat man schon einmal die Freude, einen Kohlweißling oder ein Pfauenauge zu Gesicht zu bekommen, dann heißt es vielleicht: Kickt ens, dor sett enne Schmetterleng.

Dr. Georg Cornelissen